Genial, simpel und praktisch. Das kenianische Bezahlsystem M-Pesa trifft den Nerv aller Kenianer und ist aus Alltag und Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken, wie in Teil 1 beschrieben. Seit seiner Einführung ist es zum Exportschlager avanciert und hat zehn weitere Länder erobert. Längst steht hinter M-Pesa ein umfassendes Netzwerk. Es gilt als das größte Fintech Afrikas. Der dahinterstehende Mobilfunkriese Safaricom ist eine Aktiengesellschaft, deren Papiere an Nairobis Börse gehandelt werden. 

M-Pesa ist ein riesiger kenianischer Wirtschaftsfaktor. Es hält ein ganzes Land geldtechnisch am Laufen – Apple und Google Pay haben es hier schwer: Gefühlt jeder, nach offiziellen Zahlen 28,31 Millionen Kunden (2021), nutzt das System – 3,4 Millionen Menschen mehr als ein Jahr zuvor. Der Marktanteil dürfte 100 Prozent betragen. Denn erwähnenswerte Konkurrenz existiert nicht.

Es gibt sage und schreibe 248.000 M-Pesa-Agenten, bei denen man sein Geld einzahlt oder abhebt. Sie erhalten für ihre Dienstleistungen Kommissionen von Safaricom (28,2 Milliarden Schilling/218 Millionen Euro). Das sind rechnerisch für jeden rund 880 Euro pro Jahr und daher sind sie nicht immer exklusiv für M-Pesa tätig. Oft befindet sich der typische, von Gittern umgebene M-Pesa-Schalter (trotzdem oft mit offener Tür) in Geschäften, Restaurants oder auch in Apotheken.

Apotheke und M-Pesa-Schalter – eine in Kenia nicht unübliche Kombination.

2021 wurden 22,04 Billionen Schilling über M-Pesa versendet, umgerechnet gut 171 Milliarden Euro. Dafür sorgten 11,68 Milliarden Transaktionen, rechnerisch 32 Millionen pro Tag. Die Gebühren, die der Konzern etwa durch Transaktionen und Abheben einnimmt, stehen für 33 Prozent des gesamten Safaricom-Umsatzes: 82,7 Milliarden Schilling, rund 640 Millionen Euro.

Der Dienst ist für seine Eigentümer (darunter Vodafone und viele Privatanleger) ein Goldesel – und Exportschlager. Inzwischen wurde das Prinzip unter verschiedenen Namen erfolgreich auf andere Länder ausgeweitet, etwa nach Tansania, Südafrika, Ghana, Ägypten, DR Kongo, Lesotho, Fidschi, Afghanistan, Albanien oder Indien. Die kenianische Konkurrenz wiederum hat mit Airtel Money und T-kash by Telkom sehr verspätet identische Dienstleistungen ins Leben gerufen, die ein Schattendasein fristen und deren Marktbedeutung irrelevant ist.

Rot statt Grün: M-Pesa in Tansania

Ungemach droht M-Pesa allerdings vom Staat: Auf der Suche nach Einnahmequellen für die chronisch klamme Landeskasse unterstützte das kenianische Parlament 2018 in einer chaotischen Sitzung ein Dekret des Präsidenten, Geldtransfers mit 20 Prozent zu besteuern. Noch am selben Tag, dem 20. September 2018, stürzte die in Nairobi notierte Safaricom-Aktie um 6,6 Prozent ab. Der Marktwert des Unternehmens war bei Börsenschluss um 70 Milliarden Kenianische Schilling gesunken, ungerechnet 614 Millionen Euro.

Da war es nur logisch, dass sich die Anbieter, in erster Linie Safaricom, das Geld mit höheren Gebühren zurückholen, was von Privatleuten und Wirtschaft finanziert werden musste – und beim Coronaausbruch im Frühjahr 2021 wieder rückgängig gemacht wurde, wo man bis Ende des Jahres 1.000 Schilling kostenlos versenden konnte.

Straßenraub hat abgenommen – nicht aber der durch Polizisten

Der für den Polizisten gefaltete Geldschein hat ausgedient: M-Pesa ist auch bei Schmiergeldzahlungen gern gesehen.

M-Pesa hat auch die potenziellen Risiken von Straßenraub und Einbruch minimiert – nicht jedoch die Korruption. Die notorisch geldgierigen Staatsdiener, allen voran kenianische Polizisten, sind mit der Zeit gegangen: Auch sie lassen sich gern per M-Pesa bezahlen. Denn kaum ein Bürger hat noch höhere Bargeldbeträge in der Tasche. Bei Bedarf kann, ja muss die Verwandtschaft schnell Geld an das Opfer schicken, das das Pech hatte, mit seinem Auto grundlos von einem Verkehrspolizisten angehalten zu werden.

Angst, dass die Telefonnummer namentlich registriert ist und man somit die illegale Transaktion nachverfolgen kann, müssen die Beamten nicht haben. Polizisten haben Wege, an SIM-Karten mit anderen Namen zu gelangen und transferieren daraufhin das Geld sofort weiter. Und gedeckt ist die Schmiergeldpraxis ohnehin, ja sogar von oben angeordnet mit fest vorgegebenen Umsatzzielen. Schließlich will jeder auf der Karriereleiter bei diesem strukturvertriebsähnlichen Prinzip mitverdienen. Andere Beamte lassen sich ganz unverblümt den Bakschisch direkt überweisen.

Da möchte die Kellnerin im Club natürlich nicht tatenlos danebenstehen. In der Gastronomie gibt es viele ausgefeilte Methoden, den Besitzer des Lokals um Umsatz zu prellen. Eine davon ist indes denkbar plump: Bei vollem Haus, etwa am Wochenende oder zu Silvester, verlieren selbst kontrollwütige Chefs den Überblick. Da wird dem zahlenden Gast kurzerhand die Nummer des Privathandys gegeben und nicht die des Unternehmenskontos. Als Beleg dient ein handgeschriebener Zettel, statt ein gedruckter Kassenbon.


In Teil 3 (noch nicht erschienen): Mit der M-Pesa-Super-App hat Safaricom den Sprung ins Smartphonezeitalter geschafft.

Hier geht es zu Teil 1.

Fotos: Alex Tannen (3x) und Philip Mostert (Tansania); www.pmphoto.co.za