Shaba National Reserve, 27. September 2012. Trocken, staubig und verdorrt – ausgestorben liegt das Buschland der Shaba National Reserve, knapp 150 Kilometer nördlich des Mount Kenya, vor uns. Die Natur mag unwirtlich wirken, doch es ist die klassische Safarisavanne, in der jetzt Elefanten, Giraffen und Zebras herumlaufen sollten.

Scheinbar ziellos steuert unser Fahrer Samuel über die Geröllpiste, Hitze liegt über dem Park, und nach 20 Minuten hat unsere kleine Reisegruppe – die nächsten sieben Tage werden wir gemeinsam unterwegs sein – immer noch kein wildes Tier gesehen. Kein Grund zur Panik, trotzdem habe ich das unbestimmte Gefühl, dass das heute nichts mehr wird. Klar, nach verschiedenen Afrikareisen bin ich verwöhnt, und bereits am Vortag hatten wir eine Menge tierischer Erfolgserlebnisse.

Samuel schaut verzweifelt und sagt, als könne er es selbst nicht fassen und müsse sich dafür entschuldigen: „Hakuna wanyama.“ Kisuaheli für: „Keine Tiere.“

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Wie bei einem Tennisspiel bewegt sich sein Blick suchend durchs Gelände. Selbstverständlich kann er nichts dafür, dass sich das Wild nicht sehen lässt, aber als Fahrer fühlt er sich eben persönlich dafür verantwortlich, dass uns etwas vors Objektiv kommt. Er scheint im Kreis zu fahren, kein Auto begegnet uns – und somit auch kein Kollege, den er fragen könnte. Sind wir hier oder nur heute völlig falsch? Zumindest hat die Parkverwaltung Eintrittsgeld erhoben (40 Dollar).

Planlos kurven wir umher. Waren wir an diesem Hügel nicht schon einmal vor einer halben Stunde? Da, zeigt Samuel ins Unterholz: Ein Dik-Dik, die kleinste Gazellenart – mit der Größe und Anmutung eines Rehpinschers –, muss heute als Höhepunkt fungieren. Aber dafür sind es gleich zwei.

Der Shaba-Park scheint ausgestorben

Vielleicht hätte Samuel sich besser vorbereiten und erkundigen können, wo sich Büffel und Warzenschwein „Guten Tag“ sagen. Er hätte auch jemanden fragen können. Zum Beispiel den Mann auf dem Beifahrersitz, einen bewaffneten Soldaten, den jede Gruppe zum Schutz mitnehmen muss – nicht vor wilden Tieren, das wäre etwas übertrieben, sondern vor Viehbanditen (die anderthalb Monate später 42 Polizisten in einem Hinterhalt töten werden). Aber auch den Askari, Kisuaheli für Wachmann, fragt Samuel nicht – und von allein sagt der Soldat vom einheimischen Stamme der Samburu nichts.

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Sind wir zu spät? Schließlich fahren wir inzwischen durch die schönste Mittagshitze. Oder ist es abends besser? Doch solange mir der Fahrtwind um die Nase weht, die Sonne scheint und wir nicht mitten im Busch eine Autopanne haben, bin ich zufrieden. Außerdem ist auch nicht jeden Tag Geburtstag, kommt ein Festtagsbraten auf den Tisch oder gibt es ein Silvesterfeuerwerk. Erfolgserlebnisse lassen sich ja erst dann richtig genießen und vor allem wertschätzen, wenn vorher mal nichts passiert – der Shaba-Park ist schließlich kein Zoo.

Da, dort hinten, das sind doch mindestens fünf Dutzend Tiere! Aber leider ist es nur ein Samburuhirte mit einer Herde Ziegen und ein paar Eseln. Hier brechen wir ab. Zweieinhalb Stunden lang sind wir erfolglos herumgeirrt.

Zum Mittag, in der Sarova Shaba Game Lodge, erläutert mir der Kellner seine Theorie für den Tiermangel: Die britische Armee betreibe in der Nähe einen Übungsplatz, von wo sie auch mal mit bedrohlich tieffliegenden Helikoptern die Tiere verscheuchen. Die flüchten dann aber nicht in den benachbarten Shaba-Park, sondern woanders hin. Wahrscheinlich dorthin, wo wir sie am Tag zuvor gesehen hatten.