Lake Cargelligo: Der Ort – und die Isolation
Ein Alkoholladen, zwei Pubs, drei Tankstellen und vier Kirchen: Meine australische „Working Experience“ verschlägt mich nach Lake Cargelligo, einem 1.300-Einwohner-Ort am Rande des Outbacks, 700 km westlich von Sydney im Bundesstaat New South Wales gelegen. Während die Gegend fast nur aus Busch und trockenem Weideland besteht, liegt der Ort idyllisch am gleichnamigen See.
Die nächste Stadt, Griffith, ist 130 Kilometer entfernt, so dass mich Andie, mein Chef für die kommenden Monate, standesgemäß mit seiner Cessna 232 abholen lässt. Es gibt auch nicht viele andere Möglichkeiten zu fliehen: Einmal am Tag fährt ein Bus in einen unbedeutenden Nachbarort.
Zwar liegen viele Orte in Australien noch isolierter – aber anderthalb Stunden Autofahrt zum Zahnarzt dauern den Bewohnern wohl zu lange: Jedes zweite Gebiss dürfte den Ort schon seit mehreren Jahren nicht mehr verlassen haben. Zum Wegfahren gibt es sonst auch wenig Gründe – als Zentrum der Region verfügt Lake Cargelligo über eine Mainstreet mit Bäcker, Snackshops, Polizeistation, einem halben Dutzend Autowerkstätten, Post und Zeitungsladen (aktuelle Ausgaben kommen erst um zehn Uhr). Der Fleischer führt alles außer Känguru, während die beiden Supermärkte sogar Sauerkraut anbieten. Als ich einmal die letzten vier Büchsen gekauft hatte – ich war mit Kochen dran und habe natürlich etwas klischeehaft Deutsches serviert – , stand eine Woche später wieder Nachschub da.
Dort, wo sich kein eigener Laden lohnt, werden die Geschäftsbereiche zusammengelegt: Der deutschstämmige Shell-Tankwart Mister Schneider trägt auch Pakete aus und repariert Rasenmäher – in Australien genauso wichtig wie Grills. Die BP-Tankstelle, vom ebenfalls deutschstämmigen Mister Heinz betrieben, beherbergt die größte Videothek am Ort, und die Niederlassung des staatlichen Energieunternehmens Country Energy unterhält das Internetcafé. In der Bibliothek werden gleichzeitig Autos registriert.
Inklusive Friseur und Heilsarmee hat der Ort alles, was man braucht – es sei denn, jemand benötigt ein DVD-Gerät oder die aktuellsten Playstation-Spiele: Anders als die Leute, die Zahnschmerzen haben, fährt mein neuer Freund Bill allein wegen einer frisch veröffentlichten DVD anderthalb Stunden nach Griffith. Kaum hält er den Film in seinen Händen, kehrt er wieder um. Als Bushie mag er keine Städte.
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