Kigoma, 28. September 2011. Die Dieselmaschine läuft bereits, erste Passagiere steigen ein, Träger verladen Waren und Gepäck. Zwar liegt die „Liemba“ noch fest vertaut am Kai, heute jedoch wird sie ablegen. Das stadtbekannte Ereignis ihrer Abfahrt hatte mir schon der Taxifahrer am Flughafen bestätigt. Nun halte ich das Ticket für meine Kabine in der Hand. Es kann losgehen.

Aufgewacht war ich in Dar, am späten Vormittag stieg ich in Mwanza um, am Mittag schwebte ich just-in-time in Kigoma ein, um gegen 16 Uhr die Liemba zu nehmen. Precision Air machte ihrem Namen alle Ehre, wohingegen Air Tanzania ihren Betrieb – und damit den Direktflug nach Kigoma – aufgegeben hatte. Meine riskante Zeitplanung glich einem Tanz auf dem Vulkan, denn keinen einzigen Tag zu viel wollte ich mehr in Kigoma verbringen. Nur am Flughafen erlebte ich noch einen kleinen Schrecken, als mein Rucksack nicht auftauchte, während nach und nach die anderen Passagiere mit ihren Taschen und Koffern davonzogen. Doch irgendwo lagen noch drei, vier Gepäckstücke.

Bis zu meiner Abreise aus Deutschland hatte es allerdings nicht danach ausgesehen, als ob alles so glattgeht: Nachdem meine Tour zweimal gescheitert war, wollte ich dieses Mal auf Nummer sicher gehen und das Abfahrtsdatum der Fähre verlässlich herausbekommen – am besten durch zwei voneinander unabhängigen Quellen. Bei meiner Suche im Internet hatte ich den Termin recherchiert und auf Facebook einen Deutschen kennengelernt: Er kannte sich nicht nur mit der Liemba aus, sondern rief nach meiner zweiten Frage nach dem Dampfer kurzerhand den Kapitän vor Ort an, um die genaue Abfahrtszeit innerhalb meines Reise-Zeitfensters herauszufinden: Es war der 28. September. Ein Mittwoch, das passte zu meinen Erkenntnissen. Ursprünglich wollte ich zwar nur den Reisetermin in Erfahrung bringen und hinfahren – doch warum nicht sofort alles klar machen zum Entern? Wäre es denn möglich, gleich eine Kabine zu buchen, fragte ich meinen neue Facebook-Freund Daniel? Der Kalender zeigte Mitte Juli an.

Es war machbar, Daniel organisierte von Deutschland aus nebenbei Tansania-Reisen. Prompt schrieb er mir die Ticketpreise und Modalitäten. Ich bat ihn, alles mit der Liemba zu organisieren und ließ mir meinen Urlaub genehmigen. Dann, nachdem wir uns in drei Tagen ein halbes Dutzend Mal hin- und her gemailt haben, brach der Kontakt ab. Ich hörte nichts mehr von Daniel. Trotzdem buchte ich meinen Flug und plante, am 28. September in Kigoma zu sein. Bis Ende August arrangierte ich den Rest meiner Tour, doch immer noch gab es kein Rauchzeichen von Daniel. Gut, ich kannte zumindest das Abfahrtsdatum. Aber noch einmal ins Blaue nach Kigoma fliegen, nachdem ich dort schon einmal eine ganze Woche verbracht habe, nachdem man mir das falsche Abfahrtsdatum gesagt hatte ?

Plötzlich, nach anderthalb Monaten eine knappe Mail: „Sorry war gerade im Ausland. Schreibe Dir die Tage eine Nachricht mit allen Hardfacts, allright?“ Immerhin ein Lebenszeichen, doch wir waren sechs Wochen zuvor noch vorm Ticketkauf stehen geblieben. Gibt es nun einen freien Platz am 28. September? Und wenn ja, kann ich ihn reservieren? Kein Wort davon, aber Daniel wird wieder von sich hören lassen. Eine Woche später eine weitere kurze Meldung aus Tansania: „Sorry, hatte bisher kein Internet. Ich arbeite hier die Ablage ab und schreibe dir as soon as possible. Dass du alleine reist ist noch aktuell/ Gruesse aus Arusha.“ Wenigstens kommunizieren wir noch, und er hat mein Anliegen im Kopf. Aber, wissen die vor Ort schon Bescheid, ist mein Ticket reserviert? Nach der euphorischen Anfangskommunikation war ich ernüchtert.

Unaufhaltsam rückte meine Abreise näher. Sollte es dieses Mal nicht klappen, ließe ich von der Liemba ab. Das Schiff selbst scheint zuverlässig zu sein, sonst hätte es nicht 100 Jahre und zwei Versenkungen so gut überstanden. Aber das schiere Besorgen der Fahrkarten und des Reisetermins sind offenbar die großen Hürden.

Mehr über meine Erlebnisse vor und nach der Liemba und über meine beiden Anläufe erfahrt Ihr in meinem Buch:

„The Wings of Kilimanjaro: Im Schrottbus, Kolonialdampfer und Bummelzug durch Ostafrika“