Es ist kalt, sehr kalt. Doch zum Glück war ich vorgewarnt gewesen, als ich Anfang August vom deutschen Tropensommer in den afrikanischen Winter geflogen bin.

Nicht nur eine Jacke hatte ich mitgenommen, wie selbst auf meinen heißesten Reisen, sondern Unterhemden, Pullover, Strickjacken und Jacken. Und es war nicht übertrieben. Nur lange Unterhosen fehlten, Handschuhe hätten mir auch geholfen, wie ich später merke.

Ein Jahr meines Lebens habe ich inzwischen in acht afrikanischen Ländern verbracht. Ich dachte, ich kenne Afrika und überlege, was passiert wäre, wenn ich nur mit kurzen Klamotten in das Flugzeug gestiegen wäre: Hier wäre ich erfroren. Addis Abeba liegt auf 2.355 Metern Höhe (ich bekomme davon anfangs Kopfschmerzen) und ist damit die dritthöchste Hauptstadt der Welt, wie mein Reiseführer schreibt, wobei ich mich frage, was die beiden Höchsten sind? Eine Freundin, die in Bogotá aufgewachsen ist, wahrscheinlich die zweithöchste Kapitale, hat mir eindringlich geschildert, wie das so ist, in einer Stadt zu leben, die viel frischer ist, als alle denken. Kalt ist kalt, und in meinem aktuellen Reiseland sinkt das Thermometer nachts auf null Grad, tagsüber steigt es auf 13 – egal ob man auf einem heißen Kontinent ist. Bogotá ist kalt, Addis Abeba ist frisch und wie frostig Australien ist – davon handelt gleich ein ganzes Buch von mir: „Victoria Bitter – Geschichten aus dem australischen Winter.“

Aus dem heißen Sommer Deutschlands bin ich weggeflogen

Meist ist es bedeckt, manchmal steht der Monsun wie eine hellgraue Wand vorm Fenster, dabei hatte ich mich extra in Deutschland vorgebräunt. Aber warum haben die Äthiopier fast nichts an? Mit meinem Guide, Gold, mache ich eine Tour ins nicht minder kühle Umland, und er trägt ein offenes Hemd. Ich trage zwar auch ein offenes Hemd, aber darunter ein Unterhemd, darüber ein Sweatshirt, einen Pullover und noch eine Jacke, und es reicht gerade so. Ich könnte Nachschub erhalten: Landestypisch grüßen mich aus dem Klamottenladen zwei Schaufensterpuppen mit dicken Winterjacken. „Big Discount!“, verkündet ein Schild.

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Übermütig sitze ich am Abend vorm Hotel, trinke kühles Amber-Bier und esse warm. Das Wetter ist nicht richtig ungemütlich, irgendwie freundlich wie in Irland, ab und an lugt die Sonne hervor. Doch nach Sonnenuntergang merke ich nicht, wie die Kälte durch meine fünf-lagige Bekleidung kriecht. Als ich zahle, zittere ich am ganzen Körper. Zurück auf meinem Zimmer zehre ich in einem Zug alle Teebeutel auf und gehe heiß duschen. Die Zeit ist günstig, sie haben gerade das Wasser erwärmt. Denn sonst scheint es, als ob mich der Hotelbesitzer gleich täglich für die Ice Bucket Challenge nominiert – und dies mir via Duschtemperatur direkt mitteilt.

Kein Wunder, dass im Hotel die Klimaanlage fehlt, sie ist unnötig, genauso wie Moskitonetze. Aber wo ist die Heizung? Ich kann nichts erkennen, außer einer dicken Extra-Decke fürs Bett. Zum Glück bleibt es warm, was man von den Hütten der Landbewohner, in denen ich fast nie einen Schornstein sehe, wohl nicht behaupten kann. Alle sagen mir, „wir sind daran gewöhnt!“ Und Deutschland soll ein kaltes Land sein?

Ich muss lachen, denn beinahe wäre ich ins teure Hilton oder Sheraton-Hotel gegangen – weil es dort Pools gibt. Die sind zwar beheizt oder werden von Thermalquellen gespeist, aber auf der Liege hätte ich kein entspanntes Sonnenbad nehmen können. An manchen Tagen regnet es komplett durch, mitunter pladert der Sturzregen so laut auf den Terrassenboden, als liefe neben meinem Ohr ein Ventilator. Mehrmals mache ich nachts das Licht an, um mich zu vergewissern, dass er nicht von alleine angegangen ist.

Auf meiner Liste der überflüssigen Dinge dieser Reise landen daher: Badehose, Sonnencreme und Nach-dem-Sonnenbrand-Creme. Ich wünschte förmlich, ich hätte letzteres gebraucht, denn obendrein ist Regenzeit und auch Hagelzeit, und anders als auf den deutschen Sommer kann man sich darauf offenbar verlassen.

 

PS. Mein Reiseführer hat sich geirrt, mindestens drei Hauptstädte der Welt liegen höher: Quito (Ecuador, 2.850m), Sucre, nicht La Paz! (Bolivien, 2.805m) und Bogotá (Kolumbien, 2.640m).