Addis Abeba, 10. August 2014. Ich lasse mich breitschlagen. Gold, mein lokaler Reiseführer, möchte mich zum Abschluss unserer drei Tagesausflüge unbedingt in einen deutschen Biergarten führen. Als Teil unserer heutigen Archäologietour  und weil er denkt, er tue mir damit einen Gefallen. Gut, und wahrscheinlich auch, weil er Durst hat.

Event-Gastronomie zum Selbstzapfen: mein Fahrer Fukr und mein Reiseführer Gold beim Feierabendbier.
Event-Gastronomie zum Selbstzapfen: mein Fahrer Fukr und mein Reiseführer Gold beim Feierabendbier.

Ich liebe Deutschland, auch sein Bier und Essen. Aber ich fahre doch deswegen nicht ins Ausland! Auf der anderen Seite – Gold schwärmt in den höchsten Tönen, er preist es als DIE In-Location an. Da wirkt es ebenso deplatziert, wenn ich nicht hingehe und einmal vom Jägerschnitzel koste. Das andere deutsche Kulturgut, das Karl-Marx-Denkmal, habe ich mir ja heute auch angeschaut. Außerdem fliege ich übermorgen zurück, da könnte ich mich wieder mit der deutschen Küche vertraut machen, nach all den kalten Injera-Teigfladen in den letzten Tagen, die aussehen wie zusammengerollte Waschlappen und ein bisschen auch so schmecken.

Das Garden Bräu

Also los, auf nach Bole, in das angesagte Ausgeh-Viertel! Gold und unser Fahrer Fukr freuen sich – aber sicher mehr aufs Freibier, als auf das deutsche Reinheitsgebot.

„Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“, steht es auf einem großen Mosaik im Gastraum. Zwei blitzblanke Messingkessel, Brathendl auf den Tellern, Kellnerinnen im Dirndl (allerdings ohne tiefen Ausschnitt) – deutsche Biergemütlichkeit ist auch hierzulande ein Exportschlager. Vor dem Lokal ist stilecht ein Bierzelt errichtet worden – weil es passt, aber auch, weil die Gaststube überschäumt. Die gesamte äthiopische Mittelklasse scheint es sich an diesem Freitagabend im „Garden Bräu“ gut gehen zu lassen, da musste der Betreiber anbauen. Fast nur Einheimische, prima so!

Deutsche Braukunst - erklärt im Garden Bräu.
Deutsche Braukunst – erklärt im Garden Bräu.

Gold und Fukr wissen, was sie wollen, sie sind offenbar Stammgäste – und ich habe das Objekt ihrer Begierde bereits wahrgenommen. Nach der Fernbedienung im Taitu entdecke ich hier die zweite gastronomische Innovation; auch jenes habe ich vorher noch nie gesehen, was natürlich auch an mir liegen mag: einen großen, schmalen Glaszylinder, er fasst sechs Liter Bier, der auf einem massiven schwarzen Ständer thront – samt Zapfhahn. Solch ein Apparat – die gelbe Bierflüssigkeit und der weiße Schaum erinnern an eine überdimensionale Zigarette – steht auf jedem Tisch, und bald auch bei uns. Fragt sich nur, ob wir Helles oder Dunkles trinken? Fukr ist für Helles, ich stimme zu und ordere drei Liter. „Frauenbier“, meint Gold, als er nach unserer unabgestimmten Bestellung von der Toilette zurückkehrt.

„Jetzt weiß ich, was Event-Gastronomie ist“

Der Blick auf die Speisekarte der Hausmannskost ist abenteuerlich: „Brotzeit Teller“ lautet die Überschrift, was als „Bread Time“ übersetzt worden ist, darunter wird German Bratwurst with Sauerkraut, Cheese Platter, Kartoffelpuffer und Bruschetta Al Pomodorro angepriesen. Das nennt sich Globalisierung, aber dem kulinarischen und sprachlichen Reinheitsgebot entspricht das gewiss nicht. Äthiopisch gibt es auch, jedoch passenderweise unter dem Stichwort „äthiopisch“.

Allein das Zapfen ist ein Riesenspaß, jetzt weiß ich, was Event-Gastronomie ist. Wir haben kleine Gläser und so fließt das Bier recht schnell, zumal die Preise, anders als die Qualität, nicht auf deutschem Niveau liegen, vom Oktoberfest ganz zu schweigen: Drei Liter kosten 130 Birr, also genau 5 Euro. Kein Wunder dass wir nach einer Stunde und drei „Brauerbraten“ sofort neu bestellen, diesmal natürlich das Dunkle.

Wer länger bleiben möchte, die Kneipe gehört zu einem Hotel, besser gesagt: Sie macht das Herz der Herberge aus. Wobei ich, als lärmempfindlicher Mensch, nie ein Hotel buchen würde, das „Beer Garden Inn“ heißt.

Nicht ganz stilecht, aber der Wille zählt.
Nicht ganz stilecht, aber der Wille zählt.

Wir jedenfalls haben mit den drei neuen Litern zu kämpfen. Müssen wir noch ein paar Bratwürste ordern? Bin ich ein schlechtes Trinkvorbild aus Oktoberfest-Land? Doch Fukr muss noch fahren und die drei erlebnisreichen Tage fordern auch ihren Tribut, ich werde langsam müde. Aber den halb gefüllten Glaskolben zurückgeben? Niemals! Gold weiß, dass ein Freund von ihm im Anflug ist. Wir warten zehn Minuten und übergeben ihm feierlich den Staffelstab. Auf Jägermeister, Edelkirsch und Eierlikör („German Digestiv“) verzichten wir. Am Ende meines Urlaubs habe ich nichts Schweres zu verdauen.


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