Dank Andie ist die Verpflegung ausgezeichnet. Er ist Hobbykoch und serviert seinen Leuten jeden Abend gut-bürgerliches Essen: gefüllte Paprikaschoten, echte Ochsenschwanzsuppe oder Kartoffelauflauf. Obwohl alle seine kulinarischen Künste in höchsten Tönen loben, schütten sich die Arbeiter durchaus Ketchup auf die Roulade. Linsensuppe kann auch mit der Gabel gegessen werden – den rückhandartigen Griff, das Besteck zu halten, werde ich frühestens am Ende meines Aufenthalts beherrschen. Sollte von der Suppe etwas übrigbleiben, schmieren sie sie sich am nächsten Morgen aufs Brot und packen den Fladen für eine Minute in die Mikrowelle.

Völlig andere gastronomische Welten eröffnen sich im anderthalb Stunden entfernten Griffith, in das Andie, Martin und ich einen Tagesausflug machen. Es ist eine von Italienern dominierte 30.000-Einwohnerstadt. Große, hügelige Weinanbaugebiete sorgen für angemessene mediterrane Stimmung und exzellenten Wein. In dutzenden Pizzerias, Restaurants und Straßencafés lassen sich bei Carpaccio und Café Latte das raue Outback für ein paar Stunden vergessen.

Wieder in Lake Cargelligo, dessen zweiter Wortbestandteil sich lediglich italienisch anhört, erlebe ich dagegen den kulinarischen Tiefpunkt der Woche: Eine komplett verkohlte Toastbrotscheibe, die ich bereits in den Mülleimer geschmissen hatte, wird von allen Leuten als „absolut verzehrbar“ eingestuft und anstandslos aufgegessen. Sie und ich schauen uns gleichermaßen fassungslos an.

Trotz des großen Einflusses italienischer Einwanderer – aus dem Fluss bei Griffith wurden angeblich auch mal Leichen mit einbetonierten Füßen rausgeholt –, ist Australien offenbar das einzige Land der Welt, in dem man zum Spaghettiessen ein Messer benötigt.

Doch auch ich benehme mich für australische Gaumen wohl sehr sonderbar. Sechs Wochen, nachdem ich die Linsensuppe mit Essig verfeinert habe, wird mir diese Verfehlung immer noch als „abartig“ vorgehalten. Ich habe nämlich eine geschmackliche Grundsatzdiskussion vom Zaun gebrochen, als ich zum gebratenen Schweinefleisch Worcestersauce aus dem Regal nahm. Obwohl meine Kollegen sonst jedes Essen mit artfremden Soßen zuschütten, riskiere ich einen Feldverweis: Beim T-Bone Steak vom Rind gehöre Worcestersauce natürlich dazu, aber doch nicht bei pork chops – da schmiere man Apfelmus rauf.