Seit meiner Ankunft in Sydney Anfang Juni sind Mäntel und Handschuhe angesagt – nichts davon habe ich nach Australien mitgebracht. Sie zeigen doch im Fernsehen immer nur den sonnenüberfluteten Bondi Beach. Oder sind das Archiv-Aufnahmen? Natürlich wusste ich, dass es hier eine Jahreszeit gibt, die Winter heißt. Ich dachte dabei immer, es sei dann nur kälter, aber eben nicht richtig kalt.

Im Landesinnern, in Lake Cargelligo, sinkt die Temperatur nachts unter null Grad, Reif bedeckt am Morgen die Wiesen, Autoscheiben sind vereist, und bei Andies Flugzeug ist die Batterie nach der Nacht so schwach, dass wir vorm Abflug Starthilfe brauchen. Der See, etwas Seltenes im australischen Hinterland und sonst ein Wassersportzentrum, liegt monatelang brach. Obwohl tagsüber die Sonne knallt, ziehe ich vier, fünf Lagen T-Shirts, Pullover und Jacken über, denn es weht ein scharfer Wind. Der blaue Himmel gaukelt Sommerfeeling nur vor, nach Sonnenuntergang wird es wieder eisig. Ohne Pause heizen wir daher monatelang Andies Kanonenofen – eine alte Waschmaschinentrommel, über der ein aufgeschnittenes, halbes Fass als Abzug hängt.

Starthilfe fürs Flugzeug nach einer frostigen Nacht.
Starthilfe fürs Flugzeug nach einer frostigen Nacht.

Auch während meiner Reisen in der Zeit nach Lake Cargelligo bessert sich das Wetter nicht. In Adelaide gießt es den ganzen Tag, und die Woche in Westaustralien kann sich zwischen diesig, nasskalt, windig und verregnet nicht entscheiden. Nur bei den Fotostopps habe ich Glück: Für die wichtigsten Momente kommt die Sonne heraus – und dann drücken wohl auch die Leute vom Australian Wheather Marketing auf den Auflöser.

Meine zwei einzigen ungetrübten Sommerwochen erlebe ich im Norden und im Herzen Australiens sowie im tropischen Queensland: Zum ersten Mal seit Monaten ziehe ich Schlappen und kurze Hosen an.

Zurück in Sydney kann ich die legere Kleidung schon eine Woche vor meinem Rückflug wieder einpacken. Obwohl in Australien die Jahreszeiten anders herum funktionieren sollen, trübt auch hier im Oktober typisches Herbstwetter die Stimmung: An vier von fünf Tagen regnet es. Fürs erste lege ich einen Fernsehtag ein; am nächsten Abend muss ich mit Schirm zur Oper. Zum Glück habe ich auf meiner ersten Reise zwei Jahre zuvor bereits ausreichend Sonnenfotos von der Harbour Bridge gemacht; sonst würden meine Freunde zu Hause denken, in Australien gäbe es tatsächlich mal einen bewölkten Tag.

Mein Abflug nach Europa dann: Australien weint bitterlich.