Mombasa, November 2012. Verträumt neigt der Endvierziger seinen Kopf zu dem knapp 20-jährigen Mädchen. Innig küsst er ihren Nacken, dann wenden sich der Europäer und die Kenianerin wieder dem Frühstück zu. Viel zu sagen haben sie sich allerdings nicht, dabei sind sie doch vor einer Viertelstunde gemeinsam aus ihrem Hotelzimmer gekommen.

Gleich am Tisch dahinter: Vertauschte Rollen, wobei der Altersunterschied etwas größer sein dürfte. Eine Weiße, weit jenseits der 60 Jahre, hält mit einem Einheimischen zärtlich Händchen, der die 30 Jahre noch nicht erreicht hat. Noch am Vortag hatten auf ihren Plätzen ein ergrauter Deutscher mit einem blutjungen schwarzen Model gesessen, das schon zum Frühstück High-Heels trug.

Geschäft oder Liebe? Liebe gegen Geld? Liebe wegen Geld? Ich weiß es nicht, die Grenzen sind hierzulande nicht so einfach zu ziehen. Ich kann nur beobachten: Schon vor Tagen war ich aus Lamu abgereist und hatte mich im Pilipili an der Nordküste Mombasas einquartiert – einem ruhigen, kleinen Privathotel –, um dort meine Reiseerlebnisse niederzuschreiben. Richtig konzentrieren kann ich mich allerdings nicht, zu interessant ist doch die Frage, wer hier mit wem …

Wer mit wem?

Die Hotelgäste scheinen überwiegend aus gemischten Paaren zu bestehen, die sich noch nicht allzu lange kennen dürften. Andere Hotels sehen das Mitbringen weiblicher oder männlicher Bettbekanntschaften nicht sehr gerne. Im Pilipili ist es jedoch möglich, vielleicht auch, weil die deutsche Hotelbesitzerin selbst seit Jahren mit einem Afrikaner zusammen ist.

Solange sie für zwei Personen zahlen, seien das normale Kunden, sagt mir Margita*. Weitere Fragen stellt die Inhaberin zu Recht nicht – es sei denn, die maximale Belegungszahl von zwei Hotelgästen pro Zimmer wird überschritten, wie sie mir erläutert. Diese Grenze allerdings wurde eindeutig überstrapaziert, als vor einer halben Woche ein schnittiger Schotte mittleren Alters mit gleich zwei Mädchen und zwei Koffern aus einem Tuk Tuk stieg. Nicht nur am sparsamen Transportmittel, einer Motorradrikscha, sah ich ihm an, dass es sich um einen alten Hasen handelt. Wie selbstverständlich ging er mit den beiden Schönen ins Hotel (während mich eine von ihnen eingehend musterte), dann jedoch sah ich ihn einige Tage nicht mehr. Hat er nun das Zimmer genommen, bei dem seither die Vorhänge zugezogen sind – ganz schön sportlich – oder hat ihn die Hotelbesitzerin sofort wieder ins Tuk Tuk verfrachtet? Nicht, dass ich mir übermäßig Gedanken um seine Manneskraft mache – aber wie halten es drei Leute so lange in einem herkömmlichen, nicht übermäßig großen Hotelzimmer aus?

Tatsächlich hat er hier eine Spielwiese gefunden, später sehe ich ihn am Pool und wir kommen ins Gespräch. Brian heiße er, mehrere Jahre habe er in Kenia gearbeitet, nun reise er nur noch einige Wochen im Jahr her, um seine Freundin zu besuchen. Welche ist es denn von den beiden, frage ich indiskret. Doch er antwortet mir offen: „Die Kleinere, die andere ist nur die Schwester.“ Alles klar.

Am Nachmittag werde ich schon wieder beim Schreiben unterbrochen: Eine hübsche, schlanke, knapp 50-jährige Italienerin ist mit einem knackigen, kenianischen Lover eingetroffen. Zuerst nehmen sie Quartier im Gebäude gegenüber. Doch in dem Raum mit nur einem Deckenventilator ist es beiden wohl zu heiß geworden – sie wechseln am darauffolgenden Tag in eines der beiden Zimmer mit Klimaanlage.

Eine völlig andere Konstellation offenbart sich mir vermeintlich im Pool: Mit deutlichem Körpereinsatz bringt ein englischer Rentner einem afrikanischen Mittzwanziger das Schwimmen bei. Eine Stunde später allerdings kommt seine gleichaltrige Frau dazu – vielleicht ist der Junge nur eine Art Adoptivsohn?

Willy zieht weiter

Auf die Spitze allerdings treibt es Willy, selbständiger und durchaus attraktiver Immobilienmakler aus dem Ruhrgebiet. Freigiebig erklärt er mir, wie heftig sein Liebesleben vor Ort aussieht (und entsprechend dürftig vielleicht jenes zuhause). Ich hatte ihn vor ein paar Tagen beim Frühstück kennengelernt, nun ist er – wie er hofft – zum Fachsimpeln mit mir zurückgekehrt: Mehrmals im Jahr komme er nach Kenia, mit eigener Firma und einem Geschäftspartner zu Hause sei ihm das möglich. Vier Tage sei er jetzt schon wieder mit seiner kenianischen Freundin zusammen, er unterstütze sie auch von Europa aus, schließlich habe sie ein kleines Kind. Willy jedoch durfte mit seiner Begleitung nicht im Pilipili bleiben, wie er mir berichtet: Denn er habe das Mädchen vor einem halben Jahr genau hier aufgegabelt, als sie noch als Bedienung tätig war. Obwohl sie inzwischen gar nicht mehr arbeitet, musste er mit ihr in ein anderes Hotel ziehen, das zum Glück auch girlfriendly sei. Nun allerdings reise er weiter, an die südlichen Strände von Mombasa, zum Diani-Beach. Unnötig zu erwähnen, dass er nicht nur die Herberge wechselt. „Du bist hier der King“, erläutert er mir unaufgefordert. „Du kannst jede haben, geh‘ einfach in die Shisha-Lounge des Einkaufszentrums in Nyali. Du kannst sie auch im Nakumatt-Supermarkt ansprechen.“ Seitdem der berühmte und gigantische Anmachschuppen Tembo-Disko unlängst zugemacht hat, müssen sich Paarungswillige offenbar an unromantischeren Orten kennenlernen.

„Die rothaarige Kellnerin da, die wäre auch mein Fall“, schwärmt Willy weiter. Doch als er hört, dass ich auf Lamu war, möchte er mehr davon erfahren. Da wolle er auch mal hin. Er fragt mich Löcher in den Bauch, sodass ich ihm ausführlich von der Natur vorschwärme, vom kristallklaren Wasser und von der Karibikatmosphäre. Plötzlich unterbricht er mich: „Alex, stopp mal! Ich bin doch nicht wegen der Strände hier.“

Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden die Personennamen und einige Details geändert.