Die Kreuzfahrt nach Kasanga an der Ostküste des Tanganjikasees entlang verläuft wunderbar erholsam, fast wie erwartet, also völlig überraschungsfrei – und aus Sicht eines Reiseautoren ziemlich langweilig …

Aber dass sich die Widrigkeiten und Ungewissheiten, die mich bis zum Vortag begleitet hatten, auf dem Schiff nicht fortsetzen, genieße ich natürlich: Der Motor fällt nicht aus, wir geraten nicht in schwere See, meine Kabine wird nicht aufgebrochen. Alles ist, wie es im Urlaub sein soll.

Zwei Tage lang lasse ich die Landschaft an mir vorüberziehen – nach den wolkenverhangenen Mahale Mountains folgt überwiegend flaches Buschland. Während der gesamten Tour ernähre ich mich förmlich von Ananas, die ein Händler von einem riesigen Stapel auswählt und seinen Kunden mundgerecht zuschneidet.

Die Kommandobrücke von Kapitän Titus ist meine Loge, das Vorderdeck ist die Bühne: Wie ein Dorfplatz liegt sie im Zentrum des Schiffes, wo die Passagiere der 2. und 3. Klasse aus dem Unterdeck zusammenkommen – und das ist die Mehrzahl der 600 Mitfahrer –, um Luft zu holen, zu handeln und sich zu unterhalten. Hier lagern die meisten Waren, die mit waghalsigen Ein- und Ausladeaktionen – bei teilweise hohem Wellengang – ihren Weg über die Reling finden. Trockenfisch, Dagaa genannt und das Haupttransportgut auf der Strecke, wird auf den Planken ausgebreitet, gehandelt und neu verpackt. Größere Ladungen des Fischs werden mit einem Kran an Bord gehievt und in den Laderaum unter Deck dirigiert. Und es ist immer ein Schauspiel, wenn der Kranführer versucht, gleich vier dieser voluminösen, wurstförmigen Ballen durch die Luke zu bekommen, obwohl gerade einmal drei durch die Öffnung passen.

Das schönste Spektakel zeigt sich aber bei jedem Halt: das Ein- und Aussteigen der Passagiere. Denn bis auf Kigoma, Kasanga und dem Zielort Mpulungu gibt es keine Anlegestellen. So ankert die Liemba mehrere Hundert Meter vor der Küste – kleine Boote verbinden den Dampfer mit dem Land. Von den schaukelnden Barkassen hieven sich die Leute auf die Liemba oder springen ab, wenn sie in Gegenrichtung unterwegs sind. Sie reichen Babys über die Reling, bugsieren Hühner hinterher, kaufen rasch noch ein paar Ananas und dirigieren Schränke, Fahrräder, Betten, Speiseölkanister, Bierkästen, Wellblechrollen, Maschendrahtzäune, Matratzen und zwei Meter hochgestapelte bunte Eimer in die Tenderboote, die sie in ihre Dörfer mitbringen.

In Kasanga, dem letzten Halt in Tansania, werde ich von Bord gehen. Ich möchte schnell nach Dar zurückkehren, da mich in diesem Winkel des Landes keine weiteren Reiseziele erwarten. Die Hauptattraktion ist nun der Weg zurück: Anders als meine Flüge nach Kigoma kann ich mir die Verbindungen aber nicht per Internet buchen, sondern bin auf den lokalen Verkehr angewiesen, meist Busse à la Adventure-Tours.

Es ist Freitagmittag, und allein für das schiere Vorwärtskommen, etwa 1.500 Kilometer in drei Etappen, veranschlage ich zweieinhalb Tage. Das ist extrem optimistisch und nur zu schaffen, wenn ich gute Informationen und vor allem Glück habe, und die Fahrzeuge über funktionierende Reifen verfügen. Kasanga ist neben Kigoma der einzige Hafen auf der tansanischen Seite mit einer Anlegestelle. Auf der Landkarte ist eine dicke, farbige Straße hierhin eingezeichnet. Früher hieß der Ort Bismarckburg, die Stelle war strategisch so wichtig, dass während des 1. Weltkriegs die deutschen Truppen hier stationiert waren statt in Kigoma. Ich nehme daher an, dass der Grenzort Kasanga, eine gewisse Bedeutung haben könnte.

Langsam passiert die Liemba die Halbinsel, auf der die alten deutschen Anlagen in Trümmern liegen, bis sie festmacht. Über ein zweites Schiff hinweg klettern die etwa 150 aussteigenden Passagiere an Land. Eher beiläufig halte ich Ausschau nach den Bussen und Sammeltaxis, die nun von hier aus die Reisenden nach Sumbawanga, dem Regionalzentrum im Hinterland bringen. Doch der große Vorplatz ist nahezu leer: Ein Laster, ein Geländewagen und ein abgestellter Bus verraten mir schnell, dass sich die Verkehrssituation seit dem 1. Weltkrieg nicht wesentlich verändert hat.

Dass, was auf der Liemba so wohltuend gefehlt hat, habe ich nun wieder vor mir: Abenteuer, Spannung, Ungewissheit.