„O’zapft is“ auf kenianisch: Oktoberfest 2021 in Nairobi
Frauen in Dirndl, blau-weiße Wimpel, Leberkäse und Fingerhakeln – alle typischen Elemente eines Oktoberfestes sind harmonisch versammelt. Doch das Bierfestival, wie es manchen Teilen der Welt heißt, findet nicht in München statt, sondern zum wiederholten Male unter kenianischer Sonne: „The 2021 Nairobi Oktoberfest Party“. In München wäre und ist es ja in diesem Jahr auch nicht gegangen. Die rigide Corona-Politik von Ministerpräsident Markus Söder hat diesem wichtigsten deutschen Kulturexportgut ausgerechnet in seiner Heimat schon zum zweiten Mal die Tore verschlossen. Wer kann, weicht daher auf andere Feste weltweit aus, wobei ich zugegebenermaßen nicht deshalb nach Nairobi geflogen bin – aber es trifft sich gut, dass ich da bin.
Eingeladen hat zu der Sause – passend zum Tag der Deutschen Einheit, der dieses Jahr auf einen Sonntag fällt – ein lokaler Eventveranstalter, flankiert durch deutsche Expats von der German Business Association, das German Bakehouse und „German Sausages“ (zumindest steht es so auf der Sponsorenliste). Und so muss man als German kulinarisch auf fast nichts verzichten.
Bei einigen Schmankerln bin ich mir nicht ganz sicher, ob es etwas typisch bayerisch-oktoberfestmäßig ist. Doch es sind leckere Grüße aus der Heimat: Bratwurstsemmel, Schnitzel mit Kartoffelsalat, Brezeln und sogar ein „Oktoberfestburger“, auf gut Deutsch: Leberkäse in Brötchen. Zum Trinken gibt es ein eigens gebrautes Oktoberfest Lager des hiesigen Bierpioniers 254 Brewing. Eintritt 1.000 Kenianische Schilling (rund 8,15 Euro).
Nur Brathähnchen, obwohl zutiefst Kenianisch und damit bestens verfügbar, finde ich nicht. Aber vielleicht auch gerade deshalb. Denn das Partypublikum ist überwiegend einheimisch-international. Und warum sollen sie heute das essen, was sie sonst auch verputzen können? Nur bei der Musik wurde dieses nationale Prinzip aufgegeben. Da gibt es den globalen Pop-Einheitsbrei, der in der Oktoberfestheimat wahrscheinlich zu Protest, zünftigen Saalschlachten und zur Flucht des DJs geführt hätte. Die bewährten Kracherlieder und Ohrwürmer werden kaum gespielt. Das unabdingbare und oft wiederholte „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ und das wenig alpenländische „99 Luftballons“ von Nena müssen als musikalische Reminiszensen zum Thema der Party reichen.
Stilecht ist hingegen das Unterhaltungsprogramm. Nein, ein Schuhplattlerwettbewerb wird nicht aufs Parkett gelegt, dafür aber allerlei Spiele wie Fingerhakeln oder Wetttrinken.
Großartig auch: Viele deutsche Expats haben sich in Schale, Dirndl und Lederhosen geworfen. Bei ihnen gehören Trachten aus der Heimat unbedingt in den Koffer, auch wenn man sie nur einmal im Jahr anzieht.
Nächstes Jahr ist dazu sicher wieder Gelegenheit. Und wer weiß? Wenn Markus Söder dem bayerischen Brauchtum auch 2022 den Gar ausmacht, entwickelt sich Nairobi vielleicht noch zum Oktoberfest-Fluchtort. Wer sich dazu schon auf der Anreise in Stimmung bringen möchte – die Lufthansa veranstaltet jedes Jahr auf ausgewählten Verbindungen als „Trachtenflüge“ bezeichnete Oktoberfest-Themenwochen. In der Business Class gibt es dazu „traditionell-bayerische Gerichte“ und Kulturtaschen in Herzform und aus Filz.
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