Es dauert lange, bis ich einschlafe. Mitten in der Nacht werde ich wach, es ist frisch. Ich habe gut geschlafen und fühle mich blendend. Doch was hat mich geweckt? Eine Ahnung? Ein Geruch? Dann, völlig unvermittelt, stürzt es in voller Wucht auf uns herein.

Ein Tropenregen entlädt sich. Schnell sind alle munter. Matata gibt Anweisung, eine Plane zu spannen, rasch ist sie über das Sonnensegel hinten am Steuer geworfen. Ich raffe meine Sachen zusammen, stürze in den Unterstand, stolpere über Kocher und Töpfe. Zu viert hocken wir in unserem Notzelt; heftig schlägt der Wind das Wasser gegen seine Außenseiten. Matata bereitet mir einen neuen Schlafplatz, dann endet der Regenschauer so abrupt, wie er gekommen ist.

Wie eine riesige, leuchtende Orange geht der Mond kurz nach fünf Uhr unter. Für eine Weile ist es dunkler als in der Nacht, schließlich dämmert es. Schon vor anderthalb Stunden hat die Flut ihren Scheitelpunkt erreicht, wir müssen bald aufbrechen, bevor die „Queen“ wieder fest auf ihren Beinen steht. Wir holen den Anker ein, nehmen die Balken ab, auf denen wir übernachtet haben, und werfen den Motor an. Mit gedrosselter Kraft dirigiert Jay die „Queen“ durch den Kanal zwischen Manda und Manda Toto. An dessen Ausgang formen die Außenriffe mit einigen hohen Felsen die Begrenzung der Lagune. Jay findet eine seichte Stelle und wirft den Anker.

Die Sonne knallt durch das Sonnensegel, und es ist noch nicht einmal sieben Uhr. Wie ist Matata bloß auf die Idee gekommen, einen transparenten Stoff als Sonnenschutz zu installieren? Ich creme mich ein und schütze mich mit Kangas gegen die Strahlen. Whitney hatte mir bei unserer letzten gemeinsamen Tour zwei davon gegeben. Sie sind eigentlich für Frauen bestimmt, Matata macht schon Witze drüber, doch bei mir toleriert er es ausnahmsweise. Mit meinem wild gebundenen Kopftuch sehe ich aus, wie von der somalischen Al-Shabaab-Miliz, vielleicht bleiben wir auch deswegen vor Entführungen verschont.

Gebratener Fisch zum Frühstück

Wir erfreuen uns an der Morgenstimmung, jeder geht seinen Gedanken nach. Nakala setzt Wasser auf – und schiebt den Fisch von gestern auf den Grill. Zum Frühstück gibt es knusprigen Toast mit Marmelade, Orangen und in Milch aufgebrühten Tee, Chai ya maziwa, für mich das größte!

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„Wenn du magst, kannst du gleich Fisch bekommen.“ Es hört sich nicht so an, als ob Matata erwartet, dass ich ablehne.

Doch heute schaue ich mir lieber die lebenden Fische an und springe zum Schnorcheln ins Wasser. Die Strömung hat merklich nachgelassen, viele der Korallen liegen nur knapp unter der Wasseroberfläche. Ich sehe durch meine Taucherbrille alles, was auch in meinem Magen schwimmt und werde auch an die mitgebrachten Lebensmittel erinnert. Plötzlich kommt mir unsere Milchtüte entgegengeschwappt und die leere Plastikpackung der Brühwürfel.

Die Sonne knallt unbarmherzig, im Meer bin ich nur mit T-Shirt unterwegs, und sobald ich an Bord bin, möchte ich wieder ins Wasser, um mich abzukühlen. So geht es zwei, drei Stunden lang, dann setzt die Flut ein, die uns ins in die Bucht trägt. Am Rande des Riffs kaufen wir zwei Fischern einen kleinen Eimer mit sieben Tafij ab – für den Spottpreis von 200 Schilling, keine zwei Euro.

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Essen für eine ganze Familie

Am Coconut Beach, im Schatten von Bäumen und nur eine Viertelstunde von Lamu-Town entfernt, erwartet mich das kulinarische Finale unseres Ausflugs. Offenbar hat mich Matata mit einer Reisegruppe verwechselt. Ich bekomme Tafij und Gamwu, also die sechste und siebte Fischsorte auf diesem Ausflug, dazu ein Tablett mit Reis, garniert mit Erbsen, eine dicke Tomatensoße mit Kohl und eine weitere Schüssel mit einer Art Auberginen-Eintopf. Als ich alles um mich herum geordnet habe, den Teller mit den breiten Ananasstücken habe ich weit weggestellt, fällt Matata ein, dass er auch meine Leibspeise angerichtet hat, schließlich fahre ich heute das dritte Mal mit ihm: Kachumbarisalat, längst vorbereitet, kommt auch noch auf die Picknickdecke. Alleine die beiden Fische machen mich satt, dabei vertilge ich nicht einmal nach Landessitte die Köpfe. Um etwas Frisches in den Magen zu bekommen, esse ich den scharf gewürzten und mit Limone verfeinerten Salat. Vom Reis allerdings und der Tomaten-Krautsoße schaffe ich nur wenig, die Auberginensoße rühre ich erst gar nicht an. Ich weiß nicht, mit was für einem Hunger Matata bei mir gerechnet hat. Ich bin fertig, kein einziges Reiskorn passt mehr in mich rein. Inzwischen sind wir fast schon in der Stadt, und Matata ruft vier Freunde heran, die gemütlich eine halbe Stunde lang meine Reste aufessen. Bei mir wird es für die nächsten 24 Stunden weder Fisch noch Huhn geben, sondern gar nichts.