Dahmen – Campingpark Seedorf. 4,2 km, 5,1 km/h

Zwei Stühle, ein Tisch, zwei Zarges-Boxen, zwei Zelte, zwei wasserdichte Ortlieb-Säcke, eine Kühlbox, ein paar kleinere Taschen, ein wasserdichtes Fass für Schlafsäcke und ein kleines noch für Technik und eine – ja, meine – Reisetasche. Was aussieht, als wollten wir auswandern, ist das Gepäck für unsere einwöchige Kanutour auf der Peene.

Eindrucksvoll liegt alles vor Falkos Kanadier, der uns bis nach Anklam tragen wird. Die Gedanken der Umstehenden können wir nur ahnen, aber wir wissen selbst: Das ist eine ganze Menge, vielleicht zu viel und unser Boot wird aussehen wie ein Stückgutfrachter. Doch auf einer richtigen Expedition braucht man eben das passende Equipment. Zudem benötigt das 28-Kilo-Boot – die „Fram“ – mindestens 250 Kilogramm Zuladung, damit es stabil ist, was das Gewicht von uns beiden jedoch einschließt.

Genüsslich werden wir in den nächsten Tagen die Fragen und Statements von Weggefährten und Kindern entgegennehmen: „Warum habt Ihr denn so viel dabei?“ „Mit welchem Frachtschiff seid Ihr denn gekommen?“ (beim Anblick meiner Reisetasche, die ich kaum tragen kann und deswegen zur Verblüffung aller über den Zeltplatz rolle, als sei ich ein Easyjet-Tourist). Als Schmuggler werden wir humorvoll bezeichnet und wir antworten ebenso scherzhaft von unseren Stühlen aus hinunter zu den Reisegefährten, die auf Decken sitzen müssen: „Weil wir es können!“

Erstmal aber stehen wir hier an unserer Einsatzstelle vor der simplen Frage, ob wir überhaupt so viel mitnehmen können. Achso, den 15-Liter Wasserkanister hatte ich noch vergessen zu erwähnen. Doch es wird alles prima hineinpassen. Schließlich gehört unser Kanadier vom Typ Itasca zu den Größten, die der amerikanische Hersteller We-no-nah zu bieten hat. Er kommt auf knapp sechs Meter Länge und misst an der breitesten Stelle 86 Zentimeter. „Dieses ultimative Expeditionskanu befördert erstaunliche Lasten und ist dennoch einfach zu handhaben“, wird es auf der Firmenseite beworben:

„Das Itasca ist ein Tandem-Performance-Tourenkanu, das Expeditionsausrüstung durch Wind und Wellen transportiert. Der lange, seetüchtige Rumpf bleibt hervorragend in der Spur, trägt Lasten und gleitet weit. Es ist das richtige Boot für extreme Erkundungen …“

Wir waren auch deshalb so übermütig mit unserer Zuladung, weil wir anders als auf den meisten anderen Touren dieses Mal nicht umtragen müssen. Kein Wehr oder eine natürliche Barriere stoppen unseren Weg vom Malchiner See bis Anklam, nicht einmal eine Schleuse. Auf ihrem gesamtem Verlauf hat die Peene ein Gefälle von gerade einmal 24 Zentimetern.

Nun aber los! Packen und Anreise und noch das letzte Zeug kaufen, darunter ein Zelt für mich, hatten etwas länger gedauert. 16.30 Uhr legen wir in Dahmen am Malchiner See ab, zu unserer großen Fahrt bis Anklam. Gut 110 Kilometer sollen es werden.

Falko (hinten) und ich vor der Abfahrt.

Rasch entfernen wir uns vom Ufer, und das Wetter ist besser als angesagt: Heiß und trocken, nur wenige Wolken, allerdings sehr windig. Daher fahren wir erstmal auf den See hinaus, dem Wind und dem Wellen entgegen, um nach einem 90-Grad-Knick bereits unser heutiges Tagesziel anzusteuern: den Campingpark Seedorf. Es war uns nur wichtig loszukommen. Außerdem liegt die nächste Übernachtungsmöglichkeit 15 Kilometer entfernt, was eine, und zwar unsere kommende Tagesetappe wäre. Und so machen wir nach nicht einmal einer  Stunde am Strand des Campingparks fest. Als Wasserwanderer können wir dort unsere Zelte aufschlagen, zum Zeltplatz selbst sind es fünf Fußminuten.

Die Sonne knallt, das flache Wasser ist badewannenwarm. Wir haben einen großartigen Seeblick mit extralangem Sonnenuntergang. Außer uns beiden zeltet hier niemand – und diese Exklusivität wie auch die Lage haben offenbar ihren Preis. Zwei Personen, zwei Zelte und das für Wasserwanderer nun einmal unverzichtbare Boot kosten 23,80 Euro. Es wird die teuerste Übernachtungsstelle auf dieser Tour, aber zusammen mit „Sophienhof“ auch die Schönste.

Dass wir direkt am Strand nächtigen können und nicht auf dem regulären Zeltplatz, erleichtert uns auch aus ganz praktischen Gründen zutiefst: Denn was ins Boot muss, muss abends wieder raus. Niemals könnten wir all unseren Hausrat so weit tragen und so richten wir uns glücklicherweise am Ufer ein. Wir klappen Tisch und Stühle auf, öffnen das noch kühle Bier und Radler und stoßen auf die erste Etappe und die grandiose Abendstimmung an. Morgen geht es richtig los!

Im Gegensatz zum brütend heißen Tag ist der Abend bitterkalt. Alle paar Minuten ziehe ich mir mehr Kleidung über: Nach meinem T-Shirt ein Hemd, zwei Pullover, eine Trainingsjacke und dann noch Falkos dicke Kapuzenjacke. Wohlig wird es mir aber, abgesehen von unserer köstlichen Edel-Fertig-Gulaschsuppe, nicht. Denn so wie wir vom offenen Strand aus stundenlang den Sonnenuntergang genießen konnten, pfeift uns danach der Westwind um die Ohren. Dafür wird es später in meinem neuen Zelt komfortabel. Es ist zwar zu unserer Verblüffung eines zum Aufpumpen – es hat keine Stangen, vielmehr wird der Mittelträger mittels mitgelieferter Pumpe prall mit Luft gefüllt –, aber bewährt sich gleich in der ersten Nacht; genauso wie die elf Zentimeter dicke Matratze von Thermarest, die ich mir pünktlich zum Urlaub geleistet habe. Bequem schlafe ich auf ihr wie im heimischen Bett und am liebsten hätte ich die extrabreite Variante genommen. Aber wir sind ja hier nicht beim Glamping, sondern auf Expedition. Das Packmaß ist indes beeindruckend und erklärt, warum sich zwischen unseren Sitzen solch ein Gepäckberg türmt.

 

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