Campingpark Seedorf – Malchin. 13,6 km, 5 km/h

Früh bin ich auf den Beinen und erkunde das Hinterland und die Waschräume, die zwar sauber sind und funktionieren, aber nicht den Spitzenpreis rechtfertigen. 10.30 Uhr ist es Zeit, einmal Falko aufzuwecken. Doch wir lassen es traditionell langsam angehen und haben einen ähnlichen Rhythmus: Ausgiebig Kaffee trinken (wir beide), ordentlich frühstücken (nur ich) und gemeinsam den Seeblick genießen. Erst gegen 12 Uhr, unsere übliche Zeit, machen wir das Boot wieder los.

Wie am Vortag haben wir gutes Wetter und mit Wind und Wellen zu kämpfen; immerhin ist es Rückenwind. Nach knapp anderthalb Stunden erreichen wir den Ausgang des Sees in den Dahmer Kanal / die Westpeene. Nun sind wir in unserem eigentlichen Revier, schließlich soll es eine Flussfahrt und keine Seentournee werden. Die Hügel der Mecklenburgischen Schweiz, die den Malchiner See nordwestlich begrenzen, sind zwar hübsch und lieblich. Die Seen selbst ziehen sich aber – und mit dem Kummerower See haben wir noch einen ganz Großen vor uns. Viel lieber gondeln wir durch Gräben, Altarme, Flüsse, Kanäle und Bäche, die idealerweise nur kurz durch kleine Seen unterbrochen werden. So zumindest unser Credo, doch bei diesem Trip warten ohnehin nur zwei Seen auf uns.

Der Dahmer Kanal gibt einen romantischen Vorgeschmack auf das Bild, das sich uns die nächsten Tage bieten wird: Schilf, flache Ufer, Baumreihen am Fluss, Seerosen, totes Holz und tief stehende, fotogene Wolken – und kaum andere Paddler. Wir sind etwas verwundert und hatten mit wesentlich mehr Touristen gerechnet. Schließlich schreiben wir das Corona-Jahr, in dem die Mehrheit zuhause Urlaub macht. Doch viele Wasserwanderer starten erst in Malchin oder gar am Ausgang des Kummerower Sees, in Verchen oder Aalbude.

Nach einer Stunde erreichen wir die Ausläufer von Malchin, einer Kleinstadt zwischen den beiden großen Seen. Hier liegt auch der nautische Kilometer „null“ der Peene. Unendlich lange Reihen von Bootsschuppen mit markanten Roll- und Klapptoren säumen den Fluss, die meisten scheinen aufgegeben zu sein. Später kommt eine große Siloanlage in Sicht. Sie bildet eine regelrechte Skyline, sogar nachts beleuchtet mit Firmenlogo. Auf „Köster’s Eck“, im Malchiner Kanu-Club, beschließen wir den heutigen Abschnitt. Wir sind zwar noch fit und bräuchten nur eine Pause. Doch den Kummerower See wollen wir uns angesichts des Winds heute nicht mehr gönnen. Lieber morgen in einem Ritt durch und abhaken.

An der Anlegestelle treffen wir auch zwei Frauen, die von hier aus mit ihren Kindern starten. Sie möchten heute noch auf den Kummerower See, aber bald die Etappe beenden. In etwa so, wie wir am Vortag. Wir helfen ihnen mit den Leih-Kajaks ins Wasser, kommen sofort ins Gespräch über ihre Tourenplanung – „acht Tage bis Anklam“ – und verabschieden uns in dem Sinne, dass man sich auf der Strecke wiedersehen wird. Das womögliche Treffen wird in den nächsten Tagen ein immer wiederkehrendes Gesprächsthema zwischen Falko und mir.

Einfahrt in Malchin (Foto: Falko Wagner, ebenso Titelbild)

Sogleich fragen wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit. „Haben Sie denn vorgebucht?“, fragt mich der Verantwortliche. Oje! Ab hier scheint es also voll zu werden auf dem Fluss, entnehme ich der Frage. Wir haben nicht reserviert, doch wir bekommen die letzte verfügbare Fläche. Später ankommende Gäste werden weggeschickt. Wir verschnaufen kurz, dann machen wir uns auf zu dem, was wir beide lieben: Die ausgiebige Erkundung der Städte und Dörfer auf unserer Strecke. Es regnet heftig, und zum ersten Mal denken wir an die beiden Paddlerinnen mit ihren Kindern. Sie sind erst vor einer Stunde losgefahren und müssten sich jetzt auf dem Kummerower See befinden.

Malchin hat außer einem hübschen Rathaus und den Stadttoren nichts Reizvolles zu bieten (hatten wir auch nicht erwartet), außerhalb der Innenstadt jedoch eine einladende Parkanlage, die die Ostpeene durchzieht. Ansonsten bildet Malchin den lokalen Verkehrsknotenpunkt. Überlandstraßen mit donnernden Lastern queren den Ort – mangels Peene-Brücken bis Demmin ballt es sich hier. Die Bahnstrecke wird gerade umfassend saniert; vor allem nachts, wie wir noch merken werden. Unser kleiner Zeltplatz ist vollgeparkt mit Caravans. Dabei ist die Anlage ohne Wasserblick selbst recht adrett, ist bedeckt mit englischem Rasen, der frei bleiben muss, hat ein großes Backsteinhaus und moderne Sanitäranlagen. Und wir zahlen nur zehn Euro.

„Ob der noch funktioniert?“, frage ich mich. Seit mehr als 15 Jahren hatte mein Einweggrill im Keller gelegen. Nun soll er endlich zum Einsatz kommen. Beim Grillzeugkaufen bei Netto entdecken wir dasselbe Fabrikat. Nicht einmal das Design hat sich geändert. Das macht Hoffnung. Allein, 15 Jahre waren offenbar doch zu viel Lagerzeit. Es wird ein Keinweggrill. Glücklicherweise hat Falko ein frisches Exemplar dabei, sogar „öko“, weil es vollständig kompostierbar ist. Was uns aber vor allem interessiert, ist seine Funktionsfähigkeit. Der Neue ist in fünf Minuten bereit für Steak und Wurst: Magisch blinken LED-artig die Kohlestücken auf und entzünden sich nach unserem ersten Funken weiter wie von selbst. Eine Lichtshow made in China, passend in rot. Nachdem wir eine Stunde darauf gewartet hatten, dass mein Oldtimer in Fahrt kommt, werden wir Dank Hightech rasch satt.

 Wir haben uns viel zu erzählen. Zwar sehen Falko und ich uns regelmäßig, doch diese Tour hier ist ein Revival: 1994 waren wir zum ersten Mal auf Paddeltour, mit meinem Kolibri-Faltboot made in GDR auf der Feldberger Seenplatte. Vier Tage vom Schmalen Luzin bis nach Lychen, mit wildzelten und über das legendäre Küstrinchen; ein Bach, der heute kaum noch befahren werden darf. Seitdem haben wir nur noch eine Mehrtagestour veranstaltet und so hatten wir uns vorgenommen, in diesem Jahr endlich wieder einen großen Kanutrip zu unternehmen.

Es wird wieder bitterkalt und während der eine gar nicht funktioniert, wird der andere zum Zweiweggrill: Er spendet mir unter meinen Beinen Wärme, so dass ich es länger als am Vorabend an unserem Stammtisch aushalte. Obwohl die anderen beiden Zelte dicht an dicht stehen reden wir bis in die späte Nacht.

Hier geht es zu Tag 3, von Malchin nach Aalbude über den Kummerower See.