Schmidt, Konrad: „Wüsten, Wadis, Wasserräder – Quer durch den Orient.“
Die schräge Tour der DDR-Journalisten mit dem Barkas rund um das Mittelmeer geht weiter – nun im zweiten Band, erschienen Ende der 60er-Jahre.
Stilistisch, inhaltlich und vom Duktus her ähnelt es dem ersten Buch, allerdings ist das Werk viel klassenkämpferischer und politischer geworden! Wahrscheinlich verursacht durch den Sechstagekrieg der Israelis gegen die arabischen Brudervölker (aus DDR-Sicht), musste der Blick auf die einzige Demokratie im Nahen Osten verschärft werden. So ist in den bettelarmen arabischen Ländern alles in Butter oder sie stehen kurz vorm blühenden Sozialismus, während die Israelis die großen Spielverderber sind.
Mit fast 50 Jahren Distanz lässt sich das Buch sehr gut ertragen, zumal es einem angesichts der historischen Fehlspekulationen des Autors zeigt, dass man eben nicht in die Zukunft schauen kann. Köstlich ist einfach die Tour selbst, die die drei DDR-Bürger in ihrem Barkas veranstalten: Wie sie das alles organisiert haben, wie das Fahrzeug durchhält (recht gut), wie sie die Reise mittels kostbarer Devisen aus dem Staatshaushalt finanzierten – und dann taucht auch noch plötzlich der jordanische König auf freier Strecke neben ihnen auf!! Blendet man das Politische aus, ist es ein famoser Überblick über den Nahen Osten Ende der 60er. Auch hier zeigt sich, wie hoffnungsvoll (je nach Sichtweise) es damals aussah – und wie gnadenlos rückständig die Länder heute alle dastehen.
Wäre es nicht so traurig, könnte man sich wahrlich totlachen über die Fehlannahmen des Autors, der viele arabische Gesprächspartnerinnen durchaus erotisierend wahrnimmt und auch beschreibt. So ist die Quintessenz einer Zusammenkunft mit einer attraktiven palästinensischen Lehrerin im Gaza-Streifen: Mit ihr könne er zwar nicht so einfach in den dortigen Klub gehen und einen Wein trinken – aber mit der ebenfalls anwesenden Schülerin könnte er das in 20 Jahren sicherlich machen!
Selten so gelacht. Daher: starke Leseempfehlung für „Wüsten, Wadis, Wasserräder“.
Her geht es zu meiner Rezension des ersten Bands: „Pisten, Pipelines, Pyramiden“.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen
Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Pilger 56 bei Seemansgarn im „Goldenen Anker“
- Frank, "der Ingenieur" bei Magnetberge: Total verpeilt
Archive
- März 2022
- Januar 2022
- Dezember 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- August 2020
- November 2019
- August 2019
- April 2019
- Dezember 2018
- Oktober 2018
- März 2018
- Februar 2018
- Januar 2018
- Dezember 2017
- November 2017
- August 2017
- Juli 2017
- März 2017
- Januar 2017
- November 2016
- Oktober 2016
- Juli 2016
- August 2015
- September 2014
- Januar 2013
- November 2012
- Oktober 2012
- November 2011
- März 2010
- Februar 2010
- November 2003