Dort geht’s los! Der Startpunkt der Bad Schandauer Kirnitzschtalbahn liegt im Kurpark.

 

Wer durch die Sächsische Schweiz wandern möchte, findet Hunderte von Wegen zur Auswahl – doch zum Glück auch einige nostalgische Transportmittel, wenn man nicht den ganzen Tag laufen will. Eine der schönsten Alternativen sich fortzubewegen ist die mehr als 100 Jahre alte Kirnitzschtalbahn. Sehr komfortabel, nur mit dem Aussprechen ihres Namens hapert es manchmal.

Heute ist zwar Wandertag, trotzdem reisen wir von Dresden bequem mit dem Auto an. Im engen Tal von Bad Schandau sind natürlich Parkplätze knapp. Aber wir haben Glück und finden gleich einen am Kurpark – von wo aus wir erst einmal die Kirnitzschtalbahn bis zu ihrem Endpunkt nehmen wollen. Schließlich wollen wir nichts überstürzen und werden heute noch genug Gelegenheit haben, auf Schusters Rappen unterwegs zu sein.

Die Bahn kommt nach gut acht Kilometern an ihrer Endhaltestelle „Lichtenhainer Wasserfall“ an.

Es ist Sonntag, die Frühstückszeit ist seit einer Stunde vorüber, und so finden sich offenbar alle, die heute ins Kirnitzschtal wollen, auf einmal an der Haltestelle ein – uns eingeschlossen. Die 11-Uhr-Bahn ist schon zehn Minuten vor der Abfahrt rappelvoll. Doch zum Glück gibt es zusätzlich den historischen Triebwagen, in dem wir für nur einen Euro Zuschlag die letzten beiden Plätze erhalten – nachdem eine freundliche Mitreisende einen davon für uns freigemacht und sich auf die Bank zu Kind und Mann gezwängt hat. Danke! Denn so habe ich auch mehr von der Fahrt, im Stehen hätte ich nur halb so viel gesehen.

Wir haben die Route für den heutigen Tag noch nicht festgezurrt, und so lösen wir vorsichtshalber zwei Tageskarten à acht Euro, plus den einen Euro Zuschlag. Normal hätte die einfache Tour nur fünf Euro gekostet.

Gebaut wurde die gut acht Kilometer lange Kirnitzschtalbahn, die vom Prinzip her einer normalen Straßenbahn entspricht, 1898. Pünktlich fährt sie los und setzt sich, über ein Ausweichgleis, vor die vor uns wartende reguläre Bahn, die gleich zwei Anhänger hat, um alle Ausflügler ins Tal zu kutschieren. Heute ist Sonntag, mitten im Sommer, und das Wetter ist auch entsprechend: Also blauer Himmel und richtig heiß. Das Thermometer klettert, anders als noch vor zwei Tagen vorausgesagt, Richtung 30 Grad.

Rasch verlässt die Bahn Bad Schandau, rein ins romantische, grüne Kirnitzschtal, wobei wir alle paar Hundert Meter anhalten, um neue Fahrgäste aufzunehmen. Darunter ist auch eine Gruppe Schwaben, von der sich eine Mitreisende über die angeblich horrenden Fahrpreise aufregt. Sie begründet das aber mit der vermeintlich schlechten Wirtschaftslage hier im Osten, weshalb man wohl soviel Geld nehmen müsse. Dass die Dame gern spart, zum Beispiel am Deoroller, müssen wir auch riechen. Ihre Achseln befinden sich nur knapp über unseren Nasen, aber na gut, wir machen ja heute auch einen Ausflug in die Natur.

Die Fahrt mit dem historischen Wagen kostet einen Euro mehr – deswegen ist er auch leerer als der reguläre Zug. An den nächsten Haltestellen sollte sich dies aber ändern.

Nach neun Stationen durch weitestgehend flaches Terrain und etwa 25 Minuten erreichen wir mit nostalgischem Gerumpel den Endpunkt „Lichtenhainer Wasserfall“ im Nationalpark Sächsische Schweiz. Zwischendurch fährt die Bahn durch fast schluchtartige Abschnitte, zumindest auf meiner Seite, in denen sich die Felswände steil nach oben recken. Rechts rauscht die Kirnitzsch, die Sonne blinzelt über die Wipfel, hin und wieder passieren wir beschauliche Gasthöfe. Die Lokale werden wir später jedoch nicht wiedersehen, obwohl mein Freund Frank – der am Ende des Tages das Wort „Kirnitzschtalbahn“ immer noch nicht fehlerfrei aussprechen kann – und ich gern einkehren. Doch wir wollen nun einmal wandern, und das geht nur jenseits von Bahntrasse und Straße.

Der Endhaltepunkt ist touristisch gut erschlossen, durchaus etwas Rummelatmosphäre, aber trotzdem schön: Restaurierte Fachwerkbauten laden zum Essen und Trinken ein, ein paar Souvenirläden und herrliche Biergärten grüßen, zwischendurch zwängt sich die Bahn durch die kleine Touristenmeile, bevor sie hinter der Siedlung an ihren Endpunkt gelangt.

Eine kleine Tourimeile kurz vor der Endhaltestelle. Nur im Schritttempo kommt die Bahn voran.
Unsere Wanderung startet an einer Brücke über der Kirnitzsch.

Zu verlockend warten die Gasthöfe und kühles Bier, wir müssen jetzt aber endlich los! Schließlich sind wir bis auf den Weg zum Auto und zur Bahn heute noch keinen Meter gelaufen.

Gleich neben der Bahn beginnt der Weg, kurz nach halb zwölf überqueren wir die Kirnitzsch und machen uns auf zum knapp zwei Kilometer entfernten Kuhstall und dem darüber liegenden Neuen Wildenstein (337 Meter), unserem ersten heutigen Ziel und eine der Attraktionen in der Sächsischen Schweiz.

Ich starte meine frisch erworbene Smartwatch (da ich kein Reiseblogger bin, der gegen geldwerte Vorteile postet, kann ich leider nicht die Marke nennen 🙂 Mit dem Gerät möchte ich heute unseren Weg tracken, also vor allem die Distanz, die Geschwindigkeit und die Höhenmeter, und mir später die dazugehörige Strecke auf dem Smartphone ansehen.

Es geht mäßig bergauf, durch schattigen Wald, der angesichts der Hitze angenehme Kühle spendet, und vorbei an ersten Felsen. Mit uns sind noch viele andere Wanderer unterwegs, doch das Gros der Ausflügler ist im Tal geblieben und fährt wohl nach einem herzhaften Mittagessen mit der Bahn zurück.

Gemütlich geht es über breite Wege eine halbe Stunde hoch zum Kuhstall.

Nach einer knappen halben Stunde erreichen wir unser erstes Etappenziel, das nach dem Prebischtor in Böhmen zweitgrößte Felsentor des Elbsandsteingebirges und somit das größte auf deutscher Seite: den Kuhstall. Rechter Hand grüßt der Biergarten, doch uns lockt zunächst der sagenhafte Ausblick, der sich auf der anderen Seite des Tunnels eröffnet. Dramaturgisch gut inszeniert, wie es sich für ein Highlight gehört. Wir stehen im dunklen Wald, hinter dem Tor durchflutet die Sonne das grüne Tal. Vorher aber müssen wir durch den großen Torbogen hindurch. Wie in einem riesigen Fön strömt uns warme Luft entgegen. Wir kommen uns vor, als seien wir in einem Windkanal.

Ein perfekter Rahmen für ein malerisches Bild: Der Kuhstall ist das zweitgrößte Felsentor im Elbsandsteingebirge.

Nur kurz genießen wir den Ausblick ins Tal, denn ein Schild auf der linken Seite macht uns auf die nächst höhere Stufe unseres Zwischenziels aufmerksam: Über die „Himmelsleiter“ können wir auf den Neuen Wildenstein über dem Kuhstall gelangen. Tatsächlich ist es eine sehr schmale Treppe, die sich – gerade einmal so breit wie ein Rucksack – durch zwei Felsen klemmt. Von oben flutet gleißendes Licht durch die Ritze.

Wir sind schlank genug, um ohne Mühe durch die Kluft zu gelangen. Besser ist es, denn die Himmelsleiter ist eine Einbahnstraße.

Nach zwei, drei Minuten ist es geschafft – und die Bilderbuchaussicht auf Wälder, Felsen und Täler könnte malerischer kaum sein.

Obwohl wir erst eine halbe Stunde gewandert sind, erhalten wir schon jetzt unseren Tageslohn, die herrliche Aussicht vom Neuen Wildenstein.

Wir saugen das Panorama auf, dann zieht es uns zum ersten wohlverdienten Bier in das unten liegende „Gasthaus am Kuhstall“, die wir über einen anderen Weg erreichen, denn die Himmelsleiter ist wegen ihrer geringen Breite eine Einbahnstraße.

Beim kühlen Bier (ich werde leider auch nicht von Radeberger gesponsert) beratschlagen wir, wie wir weiterwandern. Klar ist, wir wollen zur „Hohen Liebe“, einem lokalen Gipfel, und von dort aus bis nach Bad Schandau zurückwandern. Das ist ein ordentliches Stück Strecke. Meine Uhr wird mir ja am Ende sagen, wie weit wir gelaufen sein werden, doch schon jetzt wundere ich mich über die zu geringe Distanz auf dem Display. Aber vielleicht kann ich nicht so gut Entfernungen schätzen, genau dafür habe ich ja schließlich das Trackinggerät.

Wir entscheiden uns, zur Endhaltestelle zurückzulaufen, von dort kurz parallel zur Bahn auf der Straße, weil es keine andere geeignete Stelle gibt, und dann durch den Nassen Grund wieder rein in den Wald und rauf zur 401-Meter „Hohen Liebe“. Obwohl der Biergarten lauschig und das Bier frisch ist, erinnern wir uns an den heutigen Zweck unseres Ausflugs und machen uns wieder auf die Socken. Die Tageskarte der Kirnitzschtalbahn werden wir heute allerdings nicht mehr benötigen. Was wohl die sparsame Schwäbin dazu sagen würde?

Eine gute Dreiviertelstunde später wissen wir, warum es „Nasser Grund“ heißt: Unsere Schuhe versinken im Morast, den der ergiebige Regen der vergangenen Tage geschaffen hat. Doch zum Glück geht es bald bergauf und es wird trocken.

Kinderleicht orientieren wir uns an den weiß-rot-weißen-Wegmarken an den Bäumen. Höhenangaben sind dort allerdings nicht abzusehen, dafür habe ich ja meine Uhr, die ich allerdings noch nicht so ganz verstehe. Aber ich berechne, dass wir vom Tal aus bereits 80 Höhenmeter gekraxelt sind und noch etwa 150 Meter bis zum Gipfel vor uns haben.

Kurze Rast auf halber Strecke zur Hohen Liebe.

Knapp unterhalb der „Hohen Liebe“ weist ein Schild plötzlich auf das „Bergsteigerehrenmal“ hin, obwohl es bis dahin nie auftauchte. Die Hohe Liebe ist markierungstechnisch verschwunden. Steil geht es die letzten 200 Meter über die gut gestuften Steine und Felsen. Dann erreichen wir unseren heutigen Gipfel, lassen uns nieder und schütteln die Beine aus. Vertrocknete Blumen am Weltkriegsdenkmal (1914-1918) zeigen uns, dass das Andenken an die gefallenen Bergsteigerkameraden noch hochgehalten wird. Schließlich schweift unser Blick über das Tal hin zu den Affensteinen.

Vom Gipfel der 401 Meter Hohen Liebe führt der Blick zu den Affensteinen.

Anschließend prüfe ich die Höhenangabe meiner Watch, die offenbar nicht ganz so smart ist. Mit 397 Meter zeigt sie vier Meter weniger an, als es die offiziellen Karten angeben. Sollte ich doch einmal die Marke nennen?

Entspannt geht es die zweite Streckenhälfte zurück, und zwar bergab. Wo eine Hohe Liebe ist, ist zwar nicht unbedingt eine „Niedrige“, dafür aber eine „Kleine“, die wiederum 343 Meter zählt. Nach einer guten halben Stunde sind wir in Ostrau, einem Stadtteil von Bad Schandau. Gleich am Ortseingang erwartet uns die Gaststätte Falkensteinblick.

Wir sind nun knapp drei Stunden unterwegs und mit großer Freude ziehe ich meine Schuhe aus, schaue auf den Falkenstein und möchte, da wir mit dem Naturteil unserer Wanderung nahezu abgeschlossen haben, nun einmal die gesammelten Erkenntnisse des Minicomputers an meinem linken Handgelenk unter die Lupe nehmen. Doch die Uhr hat vorerst ihren Geist aufgegeben, der Akku ist alle. Statt an Durchschnittsgeschwindigkeit, Pulswerten und Höhenmetern laben wir uns am zweiten Bier.

Nach einer guten Stunde ziehen wir weiter. Nun geht es fast nur noch durchs Siedlungsgebiet von Ostrau, doch ein Blick zurück ist hier empfehlenswert. In der Ferne ragen die Schrammsteine aus dem Plateau heraus.

Verschwitzt und zufrieden machen wir uns auf den Weg zur letzten Etappe. Im Hintergrund sind die Schrammsteine.

Der Tag hat mit einer zünftigen Bahnfahrt begonnen, und so ziehen wir in Bad Schandau auch wieder mit technischen Hilfsmitteln ein – dem 1905 erbauten knapp 50 Meter hohen historischen Fahrstuhl. Die Einzelfahrt kostet 1,80, Tagestickets gibt es hier nicht.

Der 50 Meter hohe Fahrstuhl wurde 1905 erbaut, um den oberen Ortsteil Bad Schandaus, Ostrau, zu erschließen.

Von der Plattform aus haben wir nicht nur einen weiteren atemberaubenden Ausblick auf das Elbtal, wir sind auch in weniger als einer Minute wieder unten, bevor uns der Weg zu den „Elbterrassen“ führt. Auch später werde ich von meiner Uhr nicht zuverlässig erfahren, wie viele Kilometer wir gewandert sind. Doch in den Knochen spüren wir nach sicherlich 12-13 Kilometern Bergwandern: Das Abendessen haben wir uns hart erarbeitet.

Ein ostdeutscher Klassiker: Würzfleisch, auch Ragout fin genannt. Nur echt mit Dresdner Worcestersauce.